Weshalb Agile so oft scheitert
Vor der EinfĂźhrung von Agile verlieĂen sich Softwareentwickler grĂśĂtenteils auf das traditionelle Wasserfallmodell, das sich durch einen sehr linearen Charakter auszeichnet. Dies bedeutet, dass alle Aufgaben im Voraus geplant wurden und es keinen Raum fĂźr Veränderungen oder Innovationen zwischendurch gab.
Fßr viele Fachleute damals war das sehr frustrierend. Daraus resultierend, beschloss im Jahr 2000 eine Gruppe von Vordenkern, die Dinge endgßltig zu ändern. Agile wurde geboren. Die Verfasser des Agilen Manifests schrieben vier Kernwerte der Methodik nieder:
- Individuen und Interaktionen stehen Ăźber Prozessen und Werkzeugen
- Ein funktionierendes Produkt steht Ăźber einer umfassenden Dokumentation
- Zusammenarbeit mit Kunden steht Ăźber Vertragsverhandlungen
- Reagieren auf Veränderungen steht ßber dem Befolgen eines Plans
In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf das erste Prinzip, bei welchem es darum geht, Menschen und Kultur ßber Prozesse und Werkzeuge zu stellen. Insbesondere werden wir einen näheren Blick auf die Bedeutung der psychologischen Sicherheit werfen. Des Weiteren werden verschiedene MÜglichkeiten beleuchtet, wie ein angstfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden kann, in welchem sich alle Teammitglieder wohlfßhlen. Die ist eine Voraussetzung, um Agile wirklich effektiv nutzen zu kÜnnen.
Warum mentale Sicherheit wichtig ist
Auch wenn agile Methoden heute in aller Munde sind und von vielen Unternehmen eingesetzt werden, scheitern fast 50 % aller Unternehmen bei deren Umsetzung. Ein kritischer Aspekt ist, dass die heutigen Teams sehr vielfältig und dynamisch sind. Sie bestehen aus ganz verschiedenen Arten von Fachleuten, wie Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten, Auftragnehmern, Freiberuflern und Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund. In solchen Teams ist mentale Sicherheit extrem wichtig.
Was es auf jeden Fall zu vermeiden gilt, ist dass Menschen in einem dynamischen Team in einen Selbsterhaltungsmodus ßbergehen und sich zurßckhaltend und ängstlich verhalten. Scheitert agiles Arbeiten, liegt es sehr wahrscheinlich an einem kulturellen Problem innerhalb des Teams. Um es noch spezifischer auszudrßcken: Werden Menschen in einen Selbsterhaltungsmodus versetzt, ist das ein Zeichen fßr eine existierende Angstkultur am Arbeitsplatz.
Werden Teammitglieder beispielsweise wiederholt kritisiert, nachdem sie ihre Gedanken oder Schwächen mit anderen teilen, behalten sie diese in der Zukunft vielleicht fĂźr sich. Besteht das GefĂźhl, keine Fragen stellen zu dĂźrfen oder sogar dafĂźr bestraft zu werden, sich verletzlich zu zeigen, werden Mitarbeiter sich nicht mehr wohl in der Interaktion mit Kollege fĂźhlen. Dies wird den gesamten Zweck einer agilen Arbeitsweise zunichte machen. Ein wichtiger Bestandteil derer ist nämlich die Zusammenarbeit zwischen Teammitgliedern, die Akzeptanz von Veränderungen und die häufige Ăbergabe der Arbeit an Kunden.
DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK
- Fast die Hälfte aller Unternehmen scheitert bei der agilen Transformation.
- Prozessen Ăźber die eigentlichen Menschen zu stellen, kann eine toxische Unternehmenskultur schaffen und potenziell zum Scheitern einer agilen Transformation fĂźhren.
- Teamleiter sollten die Grundwerte und Prinzipien des Agilen Manifests befolgen, insbesondere den ersten Grundwert.
- Eine Organisation sollte eine Liste kritischer Verhaltensweisen, sowie eine entsprechende positive Reaktion fĂźr jedes Verhalten erstellen.
- MÜchte eine Organisation eine offene und sichere Kultur fßr alle schaffen, ist es notwendig, eine positive Einstellung gegenßber Mitarbeitern zu haben, welche sich besonders verletzlich und anfällig zeigen.
Wie man Teammitgliedern in einem agilen Projekt ein GefĂźhl von Sicherheit vermittelt
Um die Vorteile von Agile voll ausschĂśpfen zu kĂśnnen, sollten Sie als FĂźhrungskraft ein nicht wertendes und sicheres Arbeitsumfeld schaffen. Vergessen Sie nicht, dass Angst die Vorteile von agilem Arbeiten zunichte machen kann. Wie also wird erreicht, eine Kultur zu schaffen, in welcher psychologische Sicherheit die Norm ist?
1. Lesen und verstehen Sie noch einmal den ersten Kernwert von Agile
"Individuen und Interaktionen stehen Ăźber Prozessen und Werkzeugenâ. Es gibt einen Grund, weshalb die Verfasser des Agilen Manifests ihr Dokument mit diesem Grundwert begannen. Sie waren die BĂźrokratie, die mit dem traditionellen Wasserfallmodell einherging, satt. Einige moderne Unternehmen, welche das Wasserfallmodell hinter sich gelassen und agile Methoden eingefĂźhrt haben, haben immer noch Probleme, diesen Grundsatz zu verstehen. Es ist in Ordnung, wenn es einem schwer fällt, sich alle Kernwerte und Prinzipien von Agile zu merken. Wenn Manager sich jedoch nicht einmal die MĂźhe machen, diese richtig zu lesen, kann es schwierig sein, Agile erfolgreich einzufĂźhren.
Wie also beginnt man mit der Umsetzung des ersten Grundsatzes, Menschen Ăźber Prozesse zu stellen? Um eine Kultur zu schaffen, in der alle Teammitglieder sich sicher fĂźhlen, sollte man zuallererst aufhĂśren, Kultur als etwas mit einer Frist zu betrachten. Kultur hat keine Deadline! Man sagt nicht: "Am Ende dieses Sprints wird sich jeder im Team frei fĂźhlen, Fragen zu stellen." So funktioniert das nicht. Kultur ist ein fortlaufendes Phänomen! Ein kulturelles Problem lässt sich nicht mit Sprints oder anderen Prozessen lĂśsen, welche auf einem Zeitplan basieren. Im Gegenteil, es bedarf regelmäĂiger und aufrichtiger BemĂźhungen, um eine gute Arbeitskultur aufzubauen.
2. Erstellen Sie eine Liste anfälliger Verhaltensweisen und entsprechender positiver Reaktionen
In einem agilen Arbeitsumfeld arbeiten mehrere Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Hintergrßnden zusammen, um ein Endziel zu erreichen. Eine gute Teamarbeit ist hier also der Schlßssel. Dies zu erreichen, ohne dass Teammitglieder sich manchmal verletzlich zeigen, ist schwierig. Angreifbares Verhalten meint alles, was jemanden in irgendeiner Weise anfällig fßr die Beurteilung durch andere machen kann. Dazu gehÜren beispielsweise Handlungen wie das Stellen von Fragen, das Anzweifeln des Status Quo oder neue Ideen zu teilen.
Es empfiehlt sich, eine Liste mit mÜglichst vielen angreifbaren Verhaltensweisen zu erstellen und jedem Verhalten eine positive Reaktion zuzuordnen. Hebt zum Beispiel jemand im Team die Hand und erklärt, dass er eine Aufgabe nicht erledigen kann, weil er in diesem Bereich mehr Training benÜtigt, sollte die positive Reaktion darauf lauten: "Danke fßr die Information, wir werden diese Aufgabe bald an jemand anderen delegieren."
Auf keinen Fall sollte man auf eine Person hinabschauen, die sich verletzlich zeigt und zugibt, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Anstatt dessen sollte dem Mitarbeiter etwas Zeit gegeben werden, um sich weiterzubilden, während eine kompetentere Person die Aufgabe ßbernimmt.
3. ĂberprĂźfen Sie die Wirksamkeit Ihrer BemĂźhungen am Ende der Sprint-Meetings
Unabhängig davon, ob diese wÜchentlich oder zweimal wÜchentlich stattfinden, sind Besprechungen am Ende eines Sprints ßblich. Falls nicht, sollten sie diese einfßhren. Diese sind eine gute MÜglichkeit, die Zusammenarbeit in einem dynamischen Team am Leben zu erhalten.
Es empfiehlt sich, am Ende jedes Sprint-Retrospektive-Meetings, kurz Ăźber die Umsetzung der eingefĂźhrten MaĂnahmen zur besseren Teamarbeit zu sprechen. Des Weiteren sollten Sie als Team besprechen, wie gut die zwischenmenschlichen Interaktionen während des Sprints waren. Dies gibt dem Team die MĂśglichkeit zu berichten, wie Gespräche gefĂźhrt wurden, an welchen Stellen Personen sich angreifbar gemacht haben und wie das Team darauf reagiert hat.
Ein Beispiel fßr verletzliches Verhalten wäre es, Fragen zu stellen. In diesem Fall besteht eine positive Reaktion daraus, den Mitarbeiter zu unterstßtzen, ohne zu werten.
Nehmen wir an, Jakob, ein Grafikdesigner, fragt seinen Vorgesetzten: "Was sind die Markenfarben des Unternehmens des Kunden?" Daraufhin antwortet der Vorgesetzte: "Du arbeitest seit zwei Wochen an diesem Projekt und kennst die Markenfarben immer noch nicht? Warten Sie, ich ĂźberprĂźfe das und komme dann auf Sie zurĂźck.â
Ein solches Verhalten wßrde Jakob und jeden, der den Vorgesetzten gehÜrt hat, in der Zukunft davon abhalten, Fragen zu stellen. In diesem Fall sollte der Vorgesetzte darauf hingewiesen werden, dass er sich nicht an die Richtlinien fßr angreifbares Verhalten/positive Antworten gehalten hat und er dies fßr die Zukunft ändern sollte.
Fazit
Neben den oben genannten Methoden gibt es noch weitere MÜglichkeiten, ein sichereres und kooperativeres Umfeld zu schaffen. So kann beispielsweise ein tägliches Stand-up-Meeting zu Beginn des Tages genutzt werden, um Hindernisse zu identifizieren und dem Team die MÜglichkeit zu geben, Aufgaben zu priorisieren. Als Teamleiter, der einen Sprint leitet, wissen Sie vielleicht nicht, was einzelne Personen ausbremst. Ein Stand-up-Meeting ermÜglicht es Ihnen, den Status jeder Person im Team zu ßberprßfen.
Wenn ein Teammitglied zu groĂe Schwierigkeiten mit etwas hat, sollte der Teamleiter eingreifen und UnterstĂźtzung anbieten oder die Aufgabe an jemand anderen delegieren. Ein jĂźngeres Teammitglied wartet beispielsweise schon seit Ewigkeiten auf die Antwort eines Kunden und kommt ohne dessen Zustimmung nicht weiter. In einem solchen Fall sollte der Vorgesetzte entweder den Kunden anrufen, um sich Ăźber den aktuellen Stand zu informieren oder dem jĂźngeren Teammitglied in der Zwischenzeit andere Aufgaben zuweisen.
AbschlieĂend lässt sich also sagen, ob Sie nun Scrum oder Kanban verwenden, ist egal. Wichtig ist es, den menschlichen Faktor in der agilen Arbeitsweise zu berĂźcksichtigen. Denken Sie daran, dass Teammitglieder Prozesse nutzen sollten, um ein gewĂźnschtes Ergebnis zu erzielen. Sie sollten jedoch nicht zu Sklaven dieser Prozesse werden. Deren Erfahrung und mentale Sicherheit sind wichtiger!